Schon zu Lebzeiten hat Karl Kraus als Schriftsteller und jahrzehntelanger Herausgeber der »Fackel« massiv polarisiert. Sein Verhältnis zum Judentum gehört zweifelsohne zu den kompliziertesten Sachverhalten in seiner Rezeptionsgeschichte, zumal er keineswegs davor zurückschreckte, auch jüdische JournalistInnen satirisch vorzuführen.
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Schon zu Lebzeiten hat Karl Kraus als Schriftsteller und jahrzehntelanger Herausgeber der »Fackel« massiv polarisiert. Sein Verhältnis zum Judentum gehört zweifelsohne zu den kompliziertesten Sachverhalten in seiner Rezeptionsgeschichte, zumal er keineswegs davor zurückschreckte, auch jüdische JournalistInnen satirisch vorzuführen. Insofern verwundert es nicht, wenn Sander L. Gilman in seinem Standardwerk »Jüdischer Selbsthass« Karl Kraus auf eben diesen festzulegen versucht. Demgegenüber hält der Autor dieser Studie dies für eine unzureichende Verkürzung der sich wandelnden Positionen von Kraus in nahezu vier Jahrzehnten
»Fackel«-Herausgeberschaft. Günter Schütt erhebt Kraus' Diskurse über »Ostjuden« explizit zum Thema und fordert gängige Annahmen über das Kraus'sche Verhältnis zum Judentum generell heraus. Ohne das Bild eines »jüdischen Selbsthassers« zu strapazieren, beschreibt Schütt die Funktionen des Einsatzes antisemitischer Stereotypie in Bezug auf Ostjuden, und leistet weder einer Verharmlosung antisemitischer Diskurse Vorschub noch reduziert er diese Praxis gänzlich auf ein Moment der Selbstinszenierung von Kraus. Als Resultat legt das Buch ein dynamischeres und wechselhafteres Bild auf Kraus' Verhältnis zum Judentum nahe.